Sehr geehrter Werner Herzog,

ich kann gar nicht beschreiben, wie wichtig Ihr Werk für meine eigene künstlerische Entwicklung ist. Gerade habe ich das Dämmern der Welt beendet. Sie haben da wieder bewiesen, dass Ihre Behauptung, Ihre Prosa werde letztendlich länger überdauern als Ihre Filme, nicht einfach Provokation war. Für mich ist das Buch die interessanteste epistemologische Studie über das menschliche Bewusstsien, die ich seit langem gelesen habe.

Was mich immerwieder inspiriert ist Ihr vehementer Kampf gegen die „Veristen“, die Authentizitätssucher, die Feinde aller poetischen Einbildungskraft. Wenn wir Künstler in dieser technologisch beschleunigten Welt nicht die Autorschaft als Waffe des Humanismus gegen die Technokraten und Kybernetiker behaupten, geht etwas verloren, das den modernen Menschen überhaupt erst möglich gemacht hat: Ein ganzes Bündel an Errungenschaften wie Individualität, Freiheit und Zivilcourage. Weil, wie Bazon Brock gezeigt hat, diese Werte eng zusammenhängen mit dem Individuum, das aufsteht und Verantwortung übernimmt für ein Werk, das es aus eigener Autorität und Autorschaft erschaffen hat. Es ist fast nicht zu glauben, dass eine solche Selbstverständlichkeit heute verteidigt werden muss.

Warum ich Ihnen jetzt schreibe und nicht etwa nach dem Genuss von Fitzcarraldo oder Aguirre oder Grizzly Man oder Vom Gehen im Eis liegt daran, dass ich gerade mein Romandebut beendet und erst jetzt festgestellt habe: Dieses Werk wäre ohne Sie nie entstanden. Unterbewusst habe ich Sie sogar wohl in den coolsten Bösewicht eingebaut: Einen tätowierten Kannibalen, der die Protagonisten im Dschungel Papua Neuguineas als Einlage für eine Suppe zubereitet. Da Sie bekanntlich eine Vorliebe für Schurkenrollen haben, denke ich, dass Sie das freuen wird.

Ich würde Ihnen dieses Werk so gerne zuschicken, um zu wissen, dass einer meiner intellektuellen Helden ein Exemplar besitzt. Nur weiß ich nicht, wohin! Wenn Sie mir eine Adresse schreiben würden, wäre ich froh Ihnen ein Exemplar zukommen lassen zu können.

Bitte drehen Sie noch ganz viele Filme in Ihrer atemberaubenden Geschwindigkeit und schreiben Sie weiter an Ihrem literarischen Spätwerk, das die Welt jetzt so dringen braucht. Danke, Werner Herzog, für Ihre Funken.

Ihr Stephan Pfalzgraf

PS: Damit Sie wenigstens direkt reinHören können, hänge ich Ihnen einen Link an zu einem Hörbuch, dass ich ohne Verlag selbst produziert habe: https://www.stephanpfalzgraf.de/abenteuer/