Was ist Harmonie? Wie stehen die Töne miteinander in Beziehung? Was sind die Kräfte, die zwischen den melodischen Stimmen wirken? In diesem Vortrag, der gleichzeitig auch Konzert ist, spielt Stephan Pfalzgraf genau das, was er erklärt – oder – er erklärt genau das, was er spielt. Und dabei soll die Musik hörbar und der Text verständlich bleiben. Die Didaktik muss zur Musikalität finden und umgekehrt. Dies gelingt, indem Pfalzgraf die Phänomene, die er beschreibt, simultan auf dem Klavier spielt.

Die allem zugrunde liegende Thematik ist hier die jahrhundertealte Idee der Universalsprache. Kann es eine Sprache geben, mit der sich alles ausdrücken lässt? Oder in der sich zumindest Musik und ihre Beschreibung verbinden lassen? Vom Sargam der alten Inder zum Solfege des europäischen Mittelalters gibt es viele Versuche, die natürlich alle mehr oder weniger geglückt und gescheitert sind. Geglückt sind sie auf der einfachen Ebene einer Benennung, gescheitert sind sie in dem Ansinnen, eine universelle Verbindung zwischen Zeichen und Bezeichnetem herzustellen . Aber wer weiß – Viellecht gelingt es uns ja heute abend!

Text und Piano – Stephan Pfalzgraf

Mi, 1. November, Kazzwoo Mannheim K2,23
19:30 Uhr cum tempore

Material zur Vorbereitung:

Mich interessiert hier auch ein historiografischer Aspekt: Wenn die Moderne bis ins frühe zwanzigste Jahrhundert die Zeit der von Menschen am Reißbrett ausgedachten Systeme ist (Esperanto, Kommunismus, Faschismus, Kybernetik, Zwölftonmusik, Stockhausens „Licht“ usw.), und die folgende Postmoderne die Zeit des Vertrauensverlustes in diese allzu holzschnittartigen Systeme (Absage an die „großen Erzählungen“, Anything Goes), dann kann das 21. Jahrhundert als eine Zeit der wiederentdeckung der menschengemachten Systeme betrachtet werden, aber eben nur aus der postmodernen Brille: Wir können die Ästhetik dieser Systeme als solche wertschätzen, ohne sie umsetzen zu müssen.

Nachahmung eines Barock-Traktats im Stile von Athanasius Kirchers Musurgia Universalis

Esperanto wirkt dann wie eine lustige gescheiterte Erzählung einander kaum verstehender Aliens, Kommunismus wie eine seltsame Science-Fiction-Utopie, Faschismus wie die Essenz des Filmes „300“, und Zwölftonmusik wird erträglich anzuhören, weil man sie nicht mehr „ernst“ hören muss wie ein Werk der Romantik, sondern ihre konzeptuelles Potential, das sie ausmacht, schätzen kann, während man die Musik nur als Illustration dessen begreift. Wir können Bazon Brocks Begriff vom autonomen Künstler mit ein wenig Humor nicht mehr als Idee vom prometheischen Genie interpretieren, sondern als den Don Qijote, der er immer war, und dessen Sisyphos-Arbeit im Ankämpfen gegen seine Bedeutungslosigkeit besteht.

Alexander Kluges Ästhetische Investigationen sind auf vielfälige Weise Inspiration für die Lösung.