Einen Monat versuchte ich zu verstehen, was mir passiert war. Dann, in einem Café, sah ich folgendes: Eine Frau sitzt mit ihrer Freundin, ihrem Kind und ihrem Hund gegenüber. Erst scheint alles normal zu sein, aber dann fällt mir eine Ungeheuerlichkeit auf: Die Frau verhält sich mit dem Hund wie man sich eigentlich mit seiner Freundin verhalten würde (Gespräch über eine Party). Und mit der Freundin ist sie, wie man sich eigentlich mit einem Kind verhalten würde (Füttert sie mit einem Löffel). Und mit dem Kind ist sie, wie man sich eigentlich mit dem Hund verhalten würde (Tätschelt es und sagt: ja du bist ein guter!). Und da war sie wieder, diese Empfindung. Warum verhielt man sich mit seinem Hund wie mit einer Freundin? Und warum verhielt man sich mit seiner Freundin wie mit einem Kind? Und was fiel ihr ein, sich mit dem Kind wie mit einem Hund zu verhalten? Aber das ist nun mal die Welt in der wir leben.

Das nächste mal meldete sich das Gefühl wieder, als ich in Japan war. Alles war würdig und wundervoll. Das Penisfest, die Sumo-Kämpfe, Das Abashiri Prison Museum, aus dem Yoshie Shiratori entkommen ist, indem er die Gitterstäbe so lange mit Miso-Suppe bestrichen hat, bis sie korrodiert sind. All das konnte mir nichts anhaben und amüsierte mich nur. Aber dann kam ich an einem Schild vorüber. Es besagte: „Hier in der Aomori-Präfektur liegt das wahre Grab von Jesus Christus, welcher der Kreuzigung entkam, weil er mit seinem Bruder Isukiri die Plätze tauschte. Daraufhin reiste er nach Japan und lebte bis zum stolzen Alter von 106 Jahren unter dem Namen Toraitarō Daitenkū.“ Wutentbrannt nahm ich meinen Edding heraus und schrieb: „und (weil sie) sagten: Wir haben Toraitarō Daitenkū, den Sohn der Maria und Gesandten Gottes, getötet. Aber sie haben ihn (in Wirklichkeit) nicht getötet und (auch) nicht gekreuzigt. Vielmehr erschien ihnen (ein anderer) ähnlich (so daß sie ihn mit Isukiri verwechselten und töteten) . Und diejenigen, die über ihn (oder: darüber) uneins sind, sind im Zweifel über ihn (oder: darüber) . Sie haben kein Wissen über ihn (oder: darüber) gehen vielmehr Vermutungen nach. Und sie haben ihn nicht mit Gewißheit getötet (d.h. sie können nicht mit Gewißheit sagen, daß sie ihn getötet haben).“

Den Heimflug machte ich mit Myanmar Airlines und daher zwischenlandeten wir in Mandalay, wo ich einen Tag aufenthalt hatte. Sie haben hier Ekelbilder für auf allem. Natürlich auf Zigarretten, mit Bildern von Lungenkarzinomen, aber auch auf allen Autos, wo Bilder von Verkehrstoten aufgebracht sind. Und auf den Smartphones, wo auf die Gefahren von Rückenverkrümmung und psychischer Abhängigkeit hingewiesen wird. An Wohnungstüren, wo auf das Hikikomori-Syndrom hingewiesen wird. Auf den Kaffeetassen, wo Netzmuster von Spinnen gezeigt werden, denen man Koffein verabreicht hat. Auf den Zahnbürsten sind Bilder von faulen Zähnen. Und auf den Kondompackungen Bilder von Babys.

Als ich in der Flughafenkantine (Myanmar ist eine Militärdiktatur) auf meinen nächsten Flug wartete, wollte ich mein Smartphone (auf welches ich einen gesetzlich verpflichtenden Ekel-Aufkleber aufgeklebt hatte) aufladen und hierzu mein Ladegerät in eine Steckdose einstecken. Doch es ging nicht. Ich bekam das Ladegerät nicht in die Steckdose. Die Steckdose war nur aufgeklebt. Es war nur das Bild einer Steckdose. Es war ein Prank von zwei Tiktokern am Nachbartisch, die mich filmten und lachten. Ich beschwerte mich bei der Security, und umgehend wurden die beiden von Soldaten abgeführt. Selber schuld.