wie glücklich doch die alten!, kams mir letztens kopfschmerzend, nackenspannend, liebeskummernd beim rauchen auf dem balkon. wie glücklich die zwar geschundenen, aber naiven alten, sprachen die dinge doch zu ihnen! inwiefern dies zutrifft, sei vorerst verschoben: vielmehr machte ich mich dran, die neuzeit zu rekonstruieren als das äon, dem die sprechenden dinge abhanden gekommen waren. im kummer, im leiden, ermannte sich plötzlich ein trotz in mir: kann man das nicht anders denken? haben nicht alle großen denker immer schon die leerstellen mit etiketten versehen und so integriert? wer mit erhöhter grausamkeit strafen will, schlägt nicht, sondern schweigt, weiß der psychopath. wäre dann vielleicht das schweigen der dinge die höchste aggression, die sie uns teilhaben lassen können? damit sprächen sie ja doch wieder oder genauer: schwiegen beredt. und unsere aufgabe konturiert sich: durch das schweigen hindurch eine sprache finden, eine gebärdensprache gebären.
wenn es nun stimmt, dass die dinge den menschen früher bedeutung anheimtrugen, und in der neuzeit die wendung geschehen ist: dass nämlich seither nur noch die menschen den dingen bedeutung anheimtragen; dann wird klar, dass bedeutung-anheimgetragen-bekommen natürlich der bessere hinweis auf zwei-wege-kommunikation ist: dingen, die sprechen, unterstellt man ein (zu)hören und also die möglichkeit der antwort; wer allerdings im zugzwang ist, erwartet eine antwort, die vor allem deswegen ausbleibt, weil man wissenschaftlich-statistisch vom aberglauben unterscheiden gelernt hat. so kann sich also der alte viel leichter für einen kommunikanten halten; der moderne aber, selbst, wenn er mit anderen modernen faktisch kommuniziert, schafft es noch, diese kommunikation als gedoppelte egoshow zu erfahren.
wir dritten nun, die wir schon-nicht-mehr-modern, trans-modern, randmodern sein wollen, (sein müssen!,) wollen uns nun überlegen, wie wir das aggressive sprechende schweigen der dinge überwinden können. diese aufgabe, vulgo: den sinn des lebens selbst zu basteln, wurde längst gestellt und hat die vielfältigsten lösungsansätze hervorgebracht, welche allerdings alle: 1. entweder zurückfallen auf die erste stufe magischen denkens. als beispiel seien hier nur der aktuelle esoterik-markt und die kapitalistische find-your-self-logik genannt, welche ganz einfach nicht mehr akzeptabel sind, weil der mensch des 21. jahrhunderts die ehtische pflicht zur intellektuellen redlichkeit hat. oder aber 2. andererseits die modernen ansätze, die sich der aufgabenstellung verweigern und stehen bleiben beim leeren party-lifestyle des existenzialismus.
wenn die dinge schweigen, sich verweigern, (und dass sie sich aktiv verschweigern, können wir daran sehen, dass wir wissen, dass sie vorher gesprochen haben. wir können das aus konstruktivistischen und transzendentalen gründen lapidar behaupten,) dann kann man die aufgabe des menschen als eine therapeutische formulieren: nicht der mensch muss sich therapieren, wie es noch ein ansinnen des 20. jahrhunderts war, sondern der mensch muss die dinge therapieren, weil sie nicht mehr sprechen wie ein traumapatient nach der vergewaltigung, logos genannt. (diese wortwahl ist sicherlich nicht zu drastisch, wenn sinnverlust geradezu verlust des lebenselexiers bedeutet).
schubumkehr. das ziel wird von der ausbeutung der dinge als sinn-entertainer verschoben zur sorge um sie, und zwar eine therapeutisch informierte. jeder depp kann sich zwar, wie gerd postel durch sein lebenswerk bewiesen hat, als psychiater ausgeben, aber für eine kompetente behandlung braucht es dann doch ein bisschen lektüre und pädagogik. den dingen das sprechen beibringen: eine erste formulierung einer orientierung. wie medikamentieren wir? wann internieren wir? wen setzen wir auf die couch? wer darf in die familienaufstellung? muss man dem schweigenden mond (la lune) einen elektra-komplex zuschreiben? vielleicht werden wir ja in der sorge um die dinge unser grässliches selbstmitleid los.
an die arbeit, quacksalber!
Kommentare von stephan