Eine wahre Erinnerung.

Wenn ich als Student morgens in meinem Bett lag und durch das Knattern des Rollkoffers meines Nachbarn im Gang aufgeweckt wurde, erzeugte das in mir eine unerklärliche Sehnsucht nach Weite. Ich stellte mir natürlich vor, dass dieser Nachbar, dessen Rollkoffer ich einmal in der Woche oder auch mehrmals hörte, aufbrach zu Handlungsreisen in der ganzen Welt. Ich stellte mir die Unwägbarkeiten vor, die außerordentlichen, literarischen Erlebnisse, die er erlebte, Tag ein Tag aus. Er war ein mittelalter Mann mit bayrischem Akzent; seine Ungepflegtheit verriet, dass er nicht mehr verheiratet war. Seine Scheue und Verschrobenheit verriet, warum er nicht wieder verheiratet war. Ich stellte mir seine Affären mit Zimmermädchen und Hotelpersonal vor, die Trotz seiner lebenslangen Erfahrung immer einen Zug von Behäbigkeit behielten. Ich sah ihn Geldbündel in die Höschen von slowenischen, indischen, bolivianischen Mädchen stecken. Ich sah ihn abblitzen bei schönen Chinesinen, Russinnen, Madagassinnen. Und ich sah ihn Hände schütteln mit Bahrainern, Malawiern und Schotten, sich über Verträge streiten mit Serben, Surinamern und Zyprern. Er öffnete meine kleinstädtische Welt ins Global Village. Seine Phantasiepersona bröckelte, als er mir einmal im Aufzug sagte, dass er vortags hier im Aufzug stecken geblieben sei und es eine Stunde gedauert habe, bis Hilfe kam, weil der alte Aufzug keine Ruftaste hatte, sondern nur eine Klingel, die man im Treppenhaus hören konnte. Soetwas passierte keinem Kosmopoliten. Seine Realität waren Flugausfälle wegen Vulkanausbrüchen und Umleitungen wegen Bürgerkrieg. Von da an hörte ich den Rollkoffer anders. Er ist vorige Woche gestorben. Daher schreibe ich diesen Text. Seine Wohnung ist freigeworden. Vielleicht ist er auch nicht gestorben, sondern zusammengezogen mit einem bolivianischen Mädchen. Oder mit der schönen Madagassin, deren Herz er letztlich doch erobern konnte. Oder er hat einen neuen Arbeitsvertrag als Konsul in Bahrain. Oder aber, und das wünsche ich ihm für seinen Nachruhm, er ist in Serbien Opfer einer Geiselnahme geworden, in deren Verlauf er heroisch den Entführer entgegengetreten ist — leider nicht mit Erfolg.

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